Der Mond, die Möndin. Das wäre Quatsch. Der Texter, die Texterin hingegen nicht. Gendergerechte Sprache gehört seit ein paar Jahren zum guten Ton und ist Ausdruck gelebter Gleichberechtigung. Trotzdem rümpfen wir hin und wieder die stilbewusste Nase. Denn ganz ehrlich: So ein Binnen-I kann deinen Text ziemlich unlesbar machen.
Sehr geehrte Damen und Herren und …
Mit so viel persönlichen Ansprachen, Einbeziehungen, Unds, Oders und Beziehungsweises wird das Geschriebene schnell unübersichtlich. Willst du das Ganze abkürzen, greifst du zum Binnen-I, Schrägstrich oder Asterisk * (nicht mit der Comicfigur Asterix zu verwechseln). Wer die dank amerikanischer Zitierweise mittlerweile vom Aussterben bedrohte Fußnote schon nicht mochte, wird mit diesen Leseflussunterbrechungen in Zeichenform erst recht keine Freude haben.
Kurzerhand wird also die Klausel vors Geschriebene gesetzt: Alle verwendeten Bezeichnungen sind als genderneutral zu verstehen. So ersparst du dir das ewige Unterscheiden zwischen Mann und Frau und wen es sonst noch so zu grüßen gäbe. Während der Lektüre (und womöglich auch danach) bleibt aber alles beim Alten.
Trotzdem, ich verstehe es ja. Gendergerechte Sprache wirkt wie ein unaufhörlicher Rattenschwanz. Jap, Sprache ist lebendig. Das Vokabular wächst folglich mit seinen Aufgaben. Aber ins Unaufhörliche und Unleserliche?
Lange habe ich mich der Verständlichkeit halber ebenfalls gegen „/innen“, „Innen“ oder „*innen“ gewehrt, bis, ja, bis ganz schlaue Füchse die deutsche Sprache ganz ad absurdum führen wollten. Sie haben „Studenten“, „Teilnehmer“ & Co. ins Visier genommen, um ihnen die Identität zu rauben. Plötzlich war von „Studierenden“, „Teilnehmenden“ und anderen Verlaufsformen die Rede. Das sollte den undurchsichtigen Gendersprachdschungel etwas lichten, pflanzte aber gleichsam ein neues Übel.
Jeder oder jede, der oder die studiert hat (oder noch studiert), weiß, dass man keinesfalls den ganzen Tag die Nase in Bücher steckt, schlaue Artikel liest und büffelt, büffelt und nochmals büffelt. Die studentische Lebensform ist der des Faultiers nicht unähnlich. Nur dass eine davon deutlich mehr Kaffee vertilgt. Was ich meine? Egal ob Student oder Studentin – keinesfalls bist du immer Studierende*r (Mist, das klappt also nur im Plural). Die Verlaufsform für die Mehrzahl von Personengruppen zu verwenden, mag, gemessen an der benötigten Wortanzahl, verlockend sein, aber verfälscht eben doch den Inhalt. Auch Student*innen brauchen mal ’ne Pause und sind demnach nicht immer Studierende. Das hat mich auf die Seite von Binnen-I & Co. gebracht. Ist vielleicht nicht ganz schön zu lesen, aber reflektiert die Wirklichkeit.
Tja, und dann fällt dir auf: Verdammt! Die deutsche Sprache ist ohnehin überwiegend weiblich. Wozu das Ganze also?
Die deutsche Sprache ist überwiegend weiblich
Ich bin ein großer Fan der Wissensshow „Wer weiß denn sowas?“. In einer Folge war die Frage des Geschlechts der deutschen Sprache Thema. Siehe da, so ist es:
Zugegeben, hier geht es nur um Artikel. Um „das Grauen“ wie „das Wunderkind“, „die Schönheit“ wie „die Abscheulichkeit“, um „den Tant“ und „den Chic“.
Das alles macht aber nur einen kleinen Teil der Geschlechtlichkeit unserer Sprache aus. Statt sich auf Artikel oder Endungen zu stürzen, sollte gendergerechte Sprache zunächst ganz andere sprachliche Wunden heilen, die unser (Sprach-)Bewusstsein meist unbewusst vergiften.
Dämlich und hysterisch – was gendergerechte Sprache nicht ist
Während wir mit Binnen-I und anderen Endungsmanövern Frauen in der Gesellschaft auch sprachlich mehr Sichtbarkeit verschaffen, weil es nun auch Polizistinnen, Lehrerinnen und Politikwissenschaftlerinnen gibt, bleibt ein blinder Fleck: jahrhundertealte Begriffe, die sich im alltäglichen Sprachgebrauch gefestigt haben, aber frauenverachtende Wurzeln haben.
Hysterie leitet sich vom griechischen Wort für Gebärmutter ab. Völlig überdrehtes, verzweifeltes Verhalten ist also weiblich. Aha. Und dämlich ist das andere Geschlecht, dessen Vertreterinnen allzu lang von Schule und Universität ferngehalten wurden. Nach dem Motto „Hausfrau reicht“. Apropos Hausfrau! In Wien hat die gendergerechte Sprache Blüten getrieben, dass man sich mit der flachen Hand ins Gesicht schlagen möchte. Aua. Neben dem Rathausmann sollte es eine Rathausfrau geben. Gleichberechtigung oder Augenwischerei? Und vor allem: Am Ende irgendwie doch Hausfrau.
Liebe Feminist*innen, wir dürfen nicht vergessen, für den Bewusstseinswandel braucht es mehr als nur ein paar symbolisch gesetzte Großbuchstaben oder Sternchen, die mit dem Lesefluss und, hoffentlich, eingefahrenen Klischees brechen. Das Umdenken sollte weiter greifen, bis es auch an traditionellen Macho-Worthülsen wie dämlich und hysterisch anpackt.
Bis dahin begnüge ich mich auch nicht mit symbolischen Akten wie der Frauenquote in Führungspositionen. Was interessiert mich, ob die da oben in Krawatte und Anzug oder Rüschenbluse stehen?! (Danke, Herr Pispers) Ich verlange gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
Einen schönen Frauentag euch allen!